Heckenbeck hat sich viele Jahre gegen den Bau einer geplante 380 kV Freileitung gewehrt – jetzt hat die Umsetzung begonnen
Aus Sicht der Betroffenen ist die Planung eine landschaftsverschandelnde, gesundheitsschädliche Fehlinvestition, für die es bessere Alternativen gibt, sowohl auf nationaler Ebene (dezentrale Energieversorgung mit Speichertechnologie) als auf lokaler Ebene (kürzere, weniger beeinträchtigendere Planungsvariante B01-9, die die Stadt Bad Gandersheim und Bürgerinitivativen vorgeschlagen haben).
Aktueller Stand (Stand: 10.01.2021)
Arbeitflächen wurden in 2020 von der Tennet vorbereitet, in 2021 wurde mit dem Fundamentbau begonnen.
Im September 2020 sind die Wege und Arbeitsflächen für den Mastbau von der Tennet aufgeschottert worden.
Der Klageweg bezüglich der Planfeststellung wurde voll ausgeschöpft, leider ohne den erhofften Erfolg.
Im Februar 2020 hatte der Konflikt um die 380kV-Leitung eine neue Stufe erreicht. Zu Beginn der Rodungsarbeiten durch Tennet war weder vom Bundesverwaltungsgericht über die Anhörungsrüge zum Klageverfahren (bezüglich der Planfeststellung) entschieden worden, noch von den zuständigen Gerichten über die Besitzeinweisung (eine Form der Enteignung) des von Waldrodung und Mastbau betroffen Grundstücks. Diese Situation förderte einen breiten Protest zu Tage. Am 19.02.2020 mitten in den Protesten erfolgten fast zeitgleich zwei gerichtliche Entscheidungen. Die Anhörungsrüge im Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde abgewiesen – der Planfeststellungsbeschluss stand damit endgültig fest. Auf der anderen Seite wurde am gleichen Tag die einstweilige Verfügung gegen die Besitzeinweisung (ähnlich einer Enteignung) vom Oberlandesgericht anerkannt – was zu einem unmittelbaren Baustopp führte und die Tennet das Gelände verlassen musste. Die Beschwerde gegen die Besitzeinweisung wurde am 21.Februar vom OLG Celle zurückgewiesen, damit waren auch alle rechtlichen Möglichkeiten gegen die Besitzeinweisung ausgeschöpft. Tennet nahm die Rodungsarbeiten wieder auf und auch der Protest formierte sich erneut.
Auf dem Helleberg selbst zog die Zeitung „Gandersheimer Kreisblatt“ parallelen zum Hambacher Forst. Tagelang gab es Auseinandersetzungen über die Fällungsarbeiten. Von manchen wird bemängelt, dass die Arbeiten im Auftrag der Tennet sich nicht an die umweltrechtlichen Vorgaben halten, die für den Bau in stärkerer Weise gelten, als für andere Waldarbeiten. So wurde ein Dachsbau beschädigt und Harvester wurden abseits des Wegenetzes eingesetzt, wo sie auch über Wurzeln von Baumstümpfen fahren, wo sie die unter Naturschutz stehende Haselmaus töten können.
Einen guten Überblick mit einigen Fotos gibt ein Artikel des Kreisblattes vom 18.02.2020.
Argumente, die von der Tennet vorgebracht werden
- Die Leitung ist wichtig für die Energiewende.
- Alle Alternativen wurden ausreichend geprüft.
Argumente, die von den Kritikern vorgebracht werden
Es gibt bessere Alternativen für eine Energieversorgung
Dezentrale Energieversorgung in „Bürgerhand“ mit Speichertechnologien. Die Zielsetzung muss sein: 100% erneuerbare Energien.
Für das Gebiet um Heckenbeck wurde von der Stadt Bad Gandersheim und verschiedenen Bürgerinitiativen eine Variante vorgeschlagen. Dabei wäre die Strecke etwas kürzer und die Anzahl der betroffenen Ortschaften und Menschen viel geringer. Diese wurde im ganzen Planungsprozess nicht ausreichend geprüft.
Ein Beispiel: Im NDR Film sagt der Tennet Vertreter, dass die Leitung an Heckenbeck vorbei besser sei, weil sie keine zusätzliche Beeinträchtigung sei, weil geplant sei, an dieser Stelle die Bahnstromleitung auf der gleichen Schneise zu führen. Zum einen Belegen die weiträumigen Rodungen, dass natürlich trotzdem eine Beeinträchtigung stattfindet, zum anderen wurde bei der Darstellung ignoriert, dass auch auf dem Gebiet der bisherige Bahnschneise keine Bäume aufwachsen können, weil der Bereich wegen einer Gasleitung weiterhin baumfrei bleiben muss.
Leitung nützt nicht bezüglich erneuerbaren Energien
Tennet begründet die Leitung mit erneuerbaren Energien. Eneuerbare Energien haben schwankende Einspeisung, dafür helfen Leitungen nichts, nur Speicher. Die Vorstellung, “irgendwo in Deutschland oder auf dem Meer weht immer Wind”, ist falsch: Beispielsweise in 2016 gab es 52 Dunkelflauten, Nächte ohne in denen in ganz Deutschland kaum Windenergie eingespeist wurde. Selbst wenn ganz Deutschland eine Kupferplatte wäre, und Durchleitung kein Problem, wäre man bei einer 100% regenerativen Energieversorgung auf diese Realität nicht vorbereitet. Daher braucht es für eine 100% regenerative Energieversorgung (Verbindliche Klimaziele der Regierung) große Speicherkapazitäten. Wenn man die hätte, bräuchte man aber keinen Netzausbau.
Leitung basiert auf veralteter, überdimensionierter Planung
Die Grundlagen für die Planungen wurden 2007 definiert. Durch neue Tatsachen unrichtig gewordene Begründung: 1. Es wurde von stark steigendem Stromverbrauch ausgegangen, der Stromverbrauch ist aber rückläufig. 2. Die Eigenstromerzeugung ist stark gestiegen (= viel weniger Transportbedarf). 3. AKW-Laufzeitverkürzungen und Paris Klimaziele erfordern andere Maßnahmen.
Es wurde auf dem Rechtsweg versucht, Tennet zur Herausgabe von Zahlen zu zwingen, um die aktuelle Notwendigkeit der Leitung bewerten zu können. Tennet hat dies mit Verweis auf Betriebsgeheimnisse verwert. Insofern kann niemand (außer Tennet) beurteilen, ob die Leitung benötigt wird.
Warum will Tennet den Leitungsbau?
Wenn die Leitung in Betrieb genommen wird, sollte Tennet eine garantierte Eigenkapitelrendite von 6,91 % bekommen.
Tennet forderte selbst „Aussetzen der Netzplanung“
Tennet Ex-Chef Lex Hartmann und Tennet Studien sagten 2018 selbst, dass die Planungen auf veralteten Annahmen beruhen. Mit neuen Technologien würde Tennet “im Endeffekt weniger Netze brauchen.“ Er forderte auch ein “Aussetzen der Netzplanung”, “nicht überstürzen”. Der Energieversorger N-ERGiE aus Nürnberg hält die Netzausbaupläne für überdimensioniert.
Lex Hartmann weist kurz vor seinem Ausscheiden als Vorstand auf die Notwendigkeit von Alternativen zum Netzausbau hin, damit man ihm ”später nicht vorwerfen [könne], er habe technologische Entwicklungen verschlafen oder ignoriert und nur zum kommerziellen Vorteil seines Unternehmens zu viel Netzkapazitäten aufgebaut.” Andersherum sagt er damit: Wenn man einfach weiter Netzausbau macht, werden nur zum kommerziellen Vorteil seines Unternehmens zu viel Netzkapazitäten aufgebaut.
Anmerkung: Wahle-Mecklar wurde von Tennet nie in Frage gestellt. Aber die Aussagen müssten genauso auch auf Wahle-Mecklar zutreffen. Wie oben gesagt: Zahlen dazu, dass die Leitung aktuell noch benötigt wird, wurden nicht veröffentlicht.
Behinderung der Energiewende.
Dadurch, dass viel Geld im Leitungsbau gebunden wird, steht es nicht für eine Energiewende hin auf 100% Erneuerbare Energien zur Verfügung. Eine nachhaltige, sinnvolle, dezentrale Energiewende wird behindert.
Hintergründe (Stand: 21.09.2020)
Im Dezember 2017 hat die zuständige Landesbehörde dem Plan der Netzbetreiberin Tennet zugestimmt, eine 380 kV Höchstspannungsfreileitung zwischen Wahle und Mecklar zu bauen. Diese führt an Bad Gandersheim, Heckenbeck, Hilprechtshausen und Erzhausen vorbei. Also direkt vor unserer Haustür.
Am 27.03.2018 ist bei Einbeck der erste Spatenstich für diese Trasse gemacht worden. Wird der Bau wie geplant umgesetzt, bedeutet das großen Veränderungen für das Landschaftsbild, die Natur und uns Menschen. Wir wissen nicht, was die Trasse für unsere Gesundheit und für unser lebendiges Dorfleben bedeutet.
Zudem fördert der Leitungsbau den Transport von Kohlestrom und den internationalen Stromhandel. Eine nachhaltige, sinnvolle, dezentrale Energiewende wird behindert. Wenn die Leitung in Betrieb genommen wird, bekommt Tennet eine garantierte Eigenkapitelrendite.
Die Stadt Einbeck und die Betreiberin des Pumpspeicherkraftwerks hatten Klagen beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Ebenso zwei Bürger*innen aus Heckenbeck in Zusammenarbeit mit dem Verein „BÜRGER PRO ERDKABEL Harzvorland e.V.“, stellvertretend für uns Betroffene.
Im Erörterungsverfahren wurden von verschiedenen Seiten, auch von der Stadt Bad Gandersheim, eine bessere Streckenvariante vorgeschlagen, die weniger Menschen betrifft, keine Maststandorte im Leine-Überschwemmungsgebiet hat und Erzhausen nicht mit Leitungen „umzingelt“. Im Entscheidungsverfahren der Behörde wurde diese Variante weder ausreichend geprüft, noch anders berücksichtigt. Für die Klage wurde u.a. auf diese unzureichende Variantenabwägung Bezug genommen.
Am 03.04.2019 war die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Im August kam das Ergebnis: Die Klage wurde abgewiesen.
Der Anwalt der Kläger*innen legte bei Gericht eine sogenannte Anhörungsrüge ein. Diese beinhaltet in erster Linie, dass die vorgebrachte Variante kürzer und nach den Vorgaben des Planfeststellungsverfahrens auch günstiger ist als die jetzt geplante. Hier entspricht das Verhalten des Gerichtes nicht dem, wie es angekündigt hat, wie es sich verhalten würde.
Eine Anhörungsrüge hat keine aufschiebende Wirkung.
Am 21.12.2019 erhielten die Kläger*innen Schriftsätze, im Enteignungsverfahren, dessen mündliche Verhandlung Ende Januar 2020 folgte. Die Besitzeinweisung erfolgte zu Mitte Februar. Auch diese wurde beklagt.
Bei Beginn der Rodungsarbeiten durch Tennet war weder vom Bundesverwaltungsgericht über die Anhörungsrüge zum Klageverfahren (bezüglich der Planfeststellung) entschieden worden, noch von den zuständigen Gerichten über die Besitzeinweisung des von Waldrodung und Mastbau betroffen Grundstücks. Diese Situation förderte einen breiten Protest zu Tage. (Der weitere Verlauf ist ganz oben auf der Seite beschrieben)
Vielen Dank an alle, die Geld gespendet haben! Alle Anwalts und Gerichtskosten der Kläger*innen konnten so von einer breiten Basis getragen werden.